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Realitätscheck für ein US-Multifamily-Investment: Warum ein zweiter Blick den Unterschied macht

Hinter jeder Zahl steckt eine Annahme. Und Annahmen sind oft optimistischer, als die Realität es zulässt. Wichtig, dass man Partner hat, die Sicherheit geben.

Ein Sponsor präsentierte einem unserer Kapitalpartner ein vermeintlich attraktives Mehrfamilienprojekt in einem wachsenden US‑Markt.

Die Anfrage: Kapital investieren.

Die Herausforderung: Es war das erste Projekt dieser Größenordnung für den Kapitalpartner – und er wollte sich nicht allein auf die Unterlagen des Sponsors verlassen. Wir wurden beauftragt, ein unabhängiges Investment‑Review durchzuführen.

Ziel des Reviews: Eine fundierte, neutrale Einschätzung: Stimmen die Annahmen? Wie belastbar ist der Businessplan? Vor allem: Wie realistisch sind die versprochenen 17 % IRR – also jene interne Verzinsung über die gesamte Haltedauer, die künftige Zahlungsströme auf den heutigen Wert zurückrechnet?

1. Die Exit‑Cap‑Rate – der stille Game‑Changer

Wenn eine Immobilie nach einigen Jahren wieder verkauft werden soll, stellt sich die Frage: Zu welchem Preis wird ein Käufer bereit sein, das Objekt zu übernehmen?

Die Kennzahl, die das bestimmt, ist die Exit-Cap-Rate. Man kann sie sich vorstellen wie den „Marktzins“, den ein Käufer am Ende der Haltedauer für diese Immobilie erwartet. Die Logik ist simpel:

Käufer vergleichen den jährlichen Gewinn einer Immobilie – den sogenannten Net Operating Income (NOI), also Mieteinnahmen minus Betriebskosten – mit der Rendite, die sie als angemessen für das Risiko ansetzen.

Liegt die Exit-Cap-Rate niedrig, akzeptieren Käufer eine geringe Rendite – und zahlen entsprechend einen höheren Preis. Liegt die Exit-Cap-Rate hoch, fordern Käufer mehr Rendite – und sind nur bereit, einen niedrigeren Preis zu zahlen.

Was bedeutet das konkret?

Nehmen wir an, eine Immobilie erwirtschaftet am Ende der Haltedauer 2 Mio. USD Net Operating Income (NOI)das jährliche Betriebsergebnis vor Finanzierung und Steuern.

– Liegt die Exit‑Cap bei 5 %, dann zahlt der Käufer: 2 Mio. / 0,05 = 40 Mio. USD.
– Liegt die Exit‑Cap bei 6 %, zahlt er nur: 2 Mio. / 0,06 = 33,3 Mio. USD.

So ist die Cap Rate ein Spiegel der Risiko­einschätzung.

Niedrige Cap Rate: Käufer halten die Immobilie für sicher und stabil (beste Lage, bonitätsstarke Mieter, planbare Einnahmen). Deshalb akzeptieren sie eine geringere Rendite und zahlen mehr.

Hohe Cap Rate: Käufer sehen mehr Risiko (z. B. schwache Lage, hohe Leerstände, unsichere Mietdynamik). Deshalb fordern sie eine höhere Rendite – und akzeptieren nur geringere Kaufpreise.

Ergebnis: Eine scheinbar kleine Verschiebung von nur einem Prozentpunkt kann den Verkaufserlös um fast 7 Mio. USD drücken – und damit die IRR vom zweistelligen Bereich auf ein einstelliges Niveau stutzen.

Die Realität 2025

Nationale Underwriting‑Mittelwerte für Core/Value‑Add liegen laut CBRE aktuell bei etwa 4,96 % (Core Exit) bzw. 5,38 % (Value‑Add Exit)[1]. Gleichzeitig zeigt JLL, dass die durchschnittlichen Cap Rates seit 2021 von rund 3,8 % auf über 5,6 % gestiegen sind[2].

Für ausgewählte Märkte und Objekte mit Value-Add-Strategie – also Immobilien, die durch Renovierungen und aktives Management erst verbessert werden müssen – sind Exits im mittleren 6er‑Bereich plausibel. Genau hier liegt die Hebelwirkung.

Unsere Praxis: Wir nehmen die Einstiegs-Cap-Rate beim Kauf und schlagen für den Exit vorsichtshalber 0,25 bis 1,0 Prozentpunkte drauf. Zusätzlich rechnen wir in kleinen Schritten von 0,25 Prozentpunkten verschiedene Szenarien durch. So wird sichtbar, wie stark schon kleine Marktveränderungen die Rendite beeinflussen.

Wer die Exit‑Cap nicht kritisch herausfordert, rechnet an der Realität vorbei.

2. Mietwachstum: Wunschdenken ersetzt keine Analyse

Ein häufiger Schönheitsfehler in Modellen sind überzogene Annahmen zum Mietwachstum. Im vorliegenden Fall wurde mit 4 % pro Jahr gerechnet – Jahr für Jahr, über die gesamte Haltedauer. Auf dem Papier sieht das attraktiv aus. In der Realität ist es 2025 nicht als Basisannahme haltbar.

In den USA steigen die Wohnungsmieten derzeit nur sehr gering – im Schnitt um etwa ein Prozent pro Jahr. In Florida dagegen zeigt sich ein deutlich robusteres Bild:

Märkte wie Miami, Jacksonville oder auch Tallahassee verzeichnen spürbare Zuwächse, getragen von anhaltendem Bevölkerungswachstum, Zuzug und starker Nachfrage. Yardi meldet US-weit für Juli +0,7 % J/J, Apartments.com kommt auf +0,9 % J/J[3][4]. Prognosen gehen für 2025 von rund 2–2,5 % aus[5]. Märkte wie Chicago oder Columbus sind robust, während Austin, Denver und Phoenix unter Angebotsdruck stehen.

Wer dennoch dauerhaft 4 % Mietwachstum einsetzt, braucht Belege: eine klare CapEx‑StrategieInvestitionen in Aufwertung und Sanierung –, wirklich vergleichbare Objekte (Comps) und einen realistischen Vermietungspfad.

Alles andere ist Hoffnung, keine Strategie.

3. Class A in der Kalkulation – Class B in der Realität

Ein genauer Blick auf das Pitchdeck offenbarte einen weiteren Schwachpunkt: Die Vergleichsmieten stammten fast ausschließlich aus Class‑A‑Projekten – während es sich bei der Zielimmobilie klar um ein Class‑B‑Asset handelt.

Class Aneu, hochwertig, Premium Ausstattung – erzielt andere Mieten als Class Bsolide Bestände, aber nicht Premium‑Standard. Wer A‑Werte auf ein B‑Objekt überträgt, rechnet sich die Potenziale schön.

Wenn man Vergleichsobjekte (sogenannte Comps) heranzieht, müssen diese wirklich mit der Immobilie übereinstimmen, die man bewerten will – also in derselben Lage, mit ähnlicher Ausstattung und vergleichbarer Qualität.

Genau das fordern auch die großen Finanzierer wie Freddie Mac: Ein Altbau in Randlage darf nicht mit einem Neubau in Bestlage verglichen werden, wenn man seriöse Miet- oder Preisannahmen treffen will.[6]. Alles andere ist Schönfärberei.

4. Stabilisierung? Fehlanzeige

Ein zentraler Bestandteil jeder Value‑Add‑StrategieBestand mit aktiver Aufwertung – ist die Übergangsphase. In dieser Zeit werden Leerstände in Kauf genommen, Einheiten renoviert und Mieterprofile angepasst.

Im vorliegenden Pitch wurde diese Phase schlicht ignoriert. Die Modellrechnung ging von sofortiger Vollvermietung und stabilen Cashflows aus – als gäbe es keine Bauarbeiten, keine Leerstände und keine Concessions, also Mietzugeständnisse wie „ein Monat frei“.

Die Realität sieht anders aus: Laut RealPage boten im Sommer 2025 rund 12 % der stabilisierten Einheiten Concessions, im Schnitt ein Rabatt von 9,3 %, also fast ein Monat Nettomiete[7]. Solche Effekte müssen einkalkuliert werden, sonst entstehen Liquiditätsengpässe in den ersten 12–24 Monaten nach Übernahme.

Wer Value‑Add investiert, muss auch Value‑Add rechnen.

5. Zu niedrige Rücklagen

Ein belastbarer Finanzplan braucht Rücklagen – sowohl für den Betrieb (Operating Reserves/OPEX‑Puffer) als auch für Sanierungsrisiken (CapEx‑Kontingenz). Im vorliegenden Fall war beides zu knapp bemessen.

Die Betriebspuffer („Operating Reserves“) waren mit nur drei Monaten Ausgaben angesetzt – für ein Projekt, das noch umfangreiche Sanierungen und Neuvermietungen vor sich hat, ist das zu knapp bemessen.

Marktübliche Richtwerte liegen eher bei 3–6 Monaten OPEX (inkl. Schuldendienst), teils höher, abhängig von Alter, Lage und Umfang der Sanierung[8].

Der CapEx‑Puffer war mit 5 % der Modernisierungskosten ebenfalls sehr niedrig. In der Praxis gilt eine zweistellige Kontingenz von 10–15 % als solide Basis, um Baukostensteigerungen und Nacharbeiten aufzufangen[9].

Auch die Replacement Reservesjährliche Instandhaltungsrücklage pro Einheit – waren zu niedrig. Fannie Mae verlangt mindestens 250 $ pro Einheit und Jahr[10]. Wer darunter kalkuliert, arbeitet auf Kante.

Reserven sind kein Renditekiller. Sie sind Versicherung gegen das Unerwartete. Einziger Pluspunkt: die Fixverzinsung der Finanzierung schützt immerhin vor Zinsvolatilität.

Was die Sensitivitätsanalyse zeigte

Unter realistischeren Annahmen – moderates Mietwachstum, konservativer Exit, ausreichende Reserven, realistische Stabilisierung – fiel die IRR in den einstelligen Bereich. In Stress‑Szenarien (langsameres Lease‑up, +50–100 Basispunkte beim Exit, CapEx‑Überläufe) wurden sogar negative IRRs sichtbar. Das ist kein Deal‑Killer per se, aber es definiert die Risikoklasse neu.

Unser Urteil

Kein reflexartiges Nein. Aber ein klares: Nur mit offenen Augen investieren. Wir haben dem Kapitalpartner geraten, das Projekt als High‑Risk‑Low‑Teens‑Case zu sehen – also ein Investment mit hohem Risiko und einer realistisch eher nur 10–12% Renditeerwartung zu betrachten. Mit Abwärtsrisiken, die Kapitalverluste nicht ausschließen.

Entscheidend sind drei Faktoren:

  • Vertrauen in den Sponsor
  • Überzeugung vom Markt und dessen Potential und
  • Risikobereitschaft und Renditeerwartung des Kapitalgebers

Wer diese drei Fragen ehrlich beantwortet, investiert nicht in Hoffnung, sondern in Cashflow.

Was wir daraus lernen?

  • Sensitivitätsanalysen sind Pflicht. Wer bei Exit-Cap-Rates oder Mieten keine Bandbreiten prüft, fliegt blind.
  • Mietannahmen und Vergleichsobjekte sind oft geschönt. Gerade hier lohnt ein genauer Blick auf die Datengrundlage.
  • Pitch-Decks blenden. Was auf Folien plausibel aussieht, hält der Realität häufig nicht stand.
  • Ein tiefgreifendes Verständnis von der Abwicklung, Betreuung und rechnerischer Betrachtung solcher Projekte ist von immenser Bedeutung, um sich nicht von attraktiv klingenden Zahlen blenden zu lassen.

Ein objektiver Zweitblick kann die Perspektive auf ein Investment grundlegend verändern. Für unseren Mandanten war dieses Review ein Dealbreaker – und zugleich ein Reality Check.

Am Ende hat sich gezeigt: Es zahlt sich aus, Annahmen konsequent zu hinterfragen, bevor Kapital gebunden wird. 

Wenn Sie ein zweites Paar Augen für Ihr Investment suchen, sprechen Sie uns an.

Quellen

  1. CBRE, Multifamily Underwriting Metrics Improve in Q2, Juli 2025
  2. JLL, Cap Rate Trends US Multifamily, Q4 2024
  3. Yardi Matrix, National Multifamily Report, August 2025
  4. Apartments.com / CoStar, Rent Trends July 2025
  5. RealPage, Mid‑Year 2025 Apartment Market Update
  6. Freddie Mac, Multifamily Appraisal Guidelines, 2025
  7. RealPage, Concessions Update Q2 2025
  8. RealPage, Summer 2025 Stabilization Report
  9. AACE International, Cost Contingency Development Recommended Practice, 2025
  10. Fannie Mae, Multifamily Guide – Replacement Reserves, 2025

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