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Deutschland 2025 oder der sterbende Traum vom reichen Land

Der Abstieg beginnt mit Zahlen

Die Mehrheit spürt es längst: Wir rutschen wirtschaftlich ab. Dafür braucht es keine komplizierten Statistiken – ein Gang durch die Innenstädte reicht: Geschäfte schließen früher, neue Läden halten sich kaum, selbst große Handelsketten kämpfen.

Die Schlagzeilen bestätigen die Wirtschaftslage in Deutschland 2025: In der ersten Jahreshälfte wurden knapp 12.000 Insolvenzen registriert – der höchste Wert seit zehn Jahren.

Umfragen zufolge erwarten 62 Prozent der Deutschen eine weitere Verschlechterung, nur 14 Prozent hoffen noch auf Besserung. Das klingt düster, ist aber angesichts der Zahlen nüchtern betrachtet eher realistisch als pessimistisch.

Zwei Jahre in Folge ist das Bruttoinlandsprodukt geschrumpft – 2023 um −0,3 % und 2024 um −0,2 %. Für 2025 erwarten führende Institute bestenfalls 0,2–0,3 % Wachstum – faktisch also eine Rezession in Deutschland mit anderem Etikett (IfW Kiel).

Wer die Zahlen nüchtern liest, erkennt: Die Abwärtsbewegung läuft seit Jahren, nicht erst seit gestern.

Auch die Industrieproduktion zeichnet dasselbe Bild. Monat für Monat neue Rückgänge, im Jahresvergleich noch deutlicher. Inzwischen liegen die Werte auf Tiefstständen, wie man sie sonst nur aus echten Ausnahmesituationen kennt – während der Corona-Lockdowns oder der Finanzkrise.

Für ein Land, das jahrzehntelang vom industriellen Kern lebte, ist das kein Randproblem, sondern ein Alarmsignal – vergleichbar mit einem Motor, der plötzlich nur noch auf halber Drehzahl läuft.

Das ist noch nicht einmal die ganze Wahrheit: Die gemessene Inflation (HICP) lag zuletzt bei rund 2 %, die wahrgenommene Teuerung der Haushalte jedoch bei etwa 3,1 %. Real bedeutet das: Die Wirtschaftsleistung schrumpft stärker, als es die offiziellen Überschriften nahelegen. Das Gefühl sinkender Kaufkraft ist kein Bauchgefühl, sondern lässt sich konkret bestätigen – etwa durch die EY-Verbraucherumfrage, in der Konsumenten mehrheitlich angeben, weniger Spielraum für Konsum zu haben.

Schlechter als gerechnet: In der BIP-Rechnung gilt jede staatliche Ausgabe als „Wertschöpfung“. Wenn also neue Beamtenstellen geschaffen werden, steigt rechnerisch das Bruttoinlandsprodukt. Doch diese Stellen produzieren kein neues Gut und schaffen auch keinen direkten Wohlstand.

Sie erhöhen die Staatsquote, generieren aber nicht den Mehrwert wie ein exportiertes Industrieprodukt oder ein voll ausgelastetes Werk. Auf dem Papier wächst die Wirtschaft – nur nicht zwingend in der Substanz.

Das Bild vom „reichen Land“ und der unschlagbaren Exportnation war bequem. Man konnte sich zurücklehnen, weil man glaubte, Deutschland sei automatisch stark. Die Realität: Über Jahre wurde zu wenig in Infrastruktur, Technologie und Bildung investiert.

Während in den USA neue Chipfabriken entstehen – Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe – diskutiert man in Deutschland teils jahrelang über Standorte.

Kurzum: Dort wird gebaut, hier werden Bedenken gewälzt – ein Unterschied, der Wettbewerbsfähigkeit kostet.

Das eigentliche Problem ist nicht, dass es einmal zwei schlechte Jahre gab. Das eigentliche Problem ist die Richtung. Viele merken: Es geht nicht um eine kleine Delle, die sich von selbst ausgleicht, sondern um eine längere Phase, in der wir international an Boden verlieren.

Unpopuläre Wahrheiten wurden selten ausgesprochen – etwa, dass unsere Energiepolitik erhebliche Kosten verursacht oder dass der Arbeitsmarkt ohne Zuwanderung nicht stabil bleibt. Die Folgen sehen wir schon heute.

Besonders kritisch ist die sinkende Wettbewerbsfähigkeit. Laut dem internationalen IMD-Ranking liegt Deutschland per Ende 2024 nur noch auf Platz 24. Länder wie die Schweiz, Dänemark oder die Niederlande liegen dort weit vorn:

Niedrigere Staatsquoten, bessere Infrastruktur, planbare Investitionsbedingungen. Deutschland dagegen verliert in den zentralen Feldern den Anschluss – bei Digitalisierung, Energiepreisen, Steuern und Planungssicherheit. Wer investieren will, merkt schnell: Der Unterschied ist nicht akademisch, sondern im Alltag entscheidend.

Das Muster: Wir geben sehr viel Geld aus, aber nicht dort, wo es Zukunft schafft. Milliarden fließen in Bürokratie, Sozialleistungen oder neue Verwaltungsstellen. Gleichzeitig fehlen Mittel, um Brücken zu sanieren, Schulen zu modernisieren oder Technologiezentren aufzubauen. Es ist, als würde man die Fassade frisch streichen, während im Dach das Wasser ungehindert eindringt. Auf kurze Sicht sieht es ordentlich aus – langfristig verliert das Gebäude an Stabilität. Und genau das gilt für den Standort Deutschland.

Wie das passiert ist

Schon 2018 haben Wirtschaftswissenschaftler wie Dr. Daniel Stelter gewarnt: Wir überschätzen Arbeitsplatzsicherheit, Kaufkraft und Vermögen. Wir sparen falsch – oft im Sparbuch oder in der Lebensversicherung, die real jedes Jahr durch Inflation an Wert verlieren.

Wir unterschätzen die verdeckten Schulden aus Renten, Pensionen und Gesundheit. Diese Verpflichtungen sind nichts Abstraktes, sie werden in den kommenden Jahren fällig. Schon jetzt steigen die Beitragssätze, um das System stabil zu halten. Damit sinkt die Netto-Kaufkraft weiter – und die Last verschiebt sich auf die junge Generation.

Anstatt diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, haben wir uns in einer Politik der Bequemlichkeit eingerichtet. Große Zukunftsthemen wurden verschoben oder mit Symbolprojekten überdeckt. Statt in Infrastruktur, Bildung und qualifizierte Zuwanderung zu investieren, wurde verwaltet und kompensiert. Das Ergebnis ist sichtbar: Marode Straßen, ein langsames Netz, sinkende Leistungen in Schulen und Universitäten. Und eine Migrationspolitik, die zwar hohe Zahlen an Zuwanderern bringt, aber zu wenig auf Arbeitsmarktintegration zielt.

Ein Beispiel: Während Länder wie Kanada gezielt Fachkräfte anwerben und ihnen schnelle Wege in den Arbeitsmarkt eröffnen, dauert es bei uns oft Jahre, bis Qualifikationen überhaupt anerkannt werden. In dieser Zeit zahlen die Menschen zwar ins System ein, können aber ihre Fähigkeiten nicht produktiv einsetzen. So entsteht Frust auf beiden Seiten – bei den Zuwanderern wie auch bei den Unternehmen, die händeringend Personal suchen.

Das Ganze ist wie ein schleichender Substanzverlust. Wir sehen die Folgen nicht in einem einzelnen Schock, sondern in vielen kleinen Rückschritten: Verspätete Züge, überlastete Schulen, überforderte Behörden, steigende Krankenkassenbeiträge. Alles für sich genommen mag erträglich wirken – zusammengenommen aber zeigt es: Wir haben den Wohlstand der Vergangenheit aufgezehrt, ohne das Fundament für die Zukunft zu erneuern.

Ist die Schuldenbremse Schuld?

Eine der beliebtesten Erzählungen lautet: „Die Schuldenbremse verhindert alles Gute.“ Das klingt eingängig, ist aber falsch. Andere Länder zeigen, dass man trotz strenger Haushaltsdisziplin und geringerer Verschuldung eine hervorragende Infrastruktur aufbauen kann. Entscheidend ist nicht die Höhe der Ausgaben, sondern wie sie eingesetzt werden. Dort, wo priorisiert und effizient investiert wird, entstehen moderne Straßen, schnelle Netze und ein Bildungssystem, das wirklich auf Zukunft ausgerichtet ist.

Schweden ist hier ein Lehrstück. Anfang der 1990er-Jahre steckte das Land in einer tiefen Krise: Banken wankten, die Staatsverschuldung schoss nach oben, das Vertrauen in die eigene Währung war schwer beschädigt. Anstatt weiter Schulden aufzutürmen und Probleme zu vertagen, setzte die Politik harte Reformen um. Der Staatshaushalt wurde konsolidiert, ineffiziente Strukturen abgebaut, Subventionen gekappt.

Gleichzeitig floss Geld gezielt in Bildung, Digitalisierung und Branchen mit Zukunft. Das Ergebnis: Schweden kam deutlich früher aus der Krise als viele andere europäische Länder, gewann Vertrauen zurück und verfügt heute über eine solide Haushaltsbasis.

Die eigentliche Gefahr liegt also nicht in der Schuldenbremse, sondern in der Angewohnheit, strukturelle Probleme mit immer neuen Krediten zuzudecken. Auf diese Weise wird die Rechnung nur nach vorn verschoben – und mit jedem Jahr größer.

Schon heute gibt der deutsche Staat jährlich rund 37 Milliarden Euro an Zinslasten aus – mehr als für Bildung und Forschung – rund 21 Milliarden Euro. Geld, das an anderer Stelle dringend gebraucht würde. Gleichzeitig wächst die politische Abhängigkeit: von niedrigen Zinsen, von Investorenstimmung, von Märkten, die irgendwann das Vertrauen verlieren könnten.

Was wir brauchen, ist eine völlig andere Kultur des Ausgebens und Investierens. Es sollte nicht darum gehen, kurzfristig Schlagzeilen zu produzieren, sondern darum, ob eine Ausgabe in fünf oder zehn Jahren einen messbaren Nutzen schafft. Jeder Euro, der aus dem öffentlichen Haushalt fließt, muss darauf geprüft werden, ob er eine Rendite bringt – sei es durch höhere Produktivität, bessere Infrastruktur oder mehr Bildungschancen. Nur so entsteht die Basis für künftigen Wohlstand.

Gefühl schlägt Evidenz – das rächt sich

Deutschland ist in vielen Debatten längst zu einer Gefühlsgesellschaft geworden. Empörung ersetzt Berechnung, moralische Narrative dominieren Schlagzeilen – selbst bei Themen, die harte Fakten verlangen.

Ob es um Energiepolitik, Migration oder Wirtschaft geht: Entscheidungen werden immer öfter mit Verweis auf „Haltung“ getroffen, nicht auf Daten. Während Umfragen zeigen, dass Bürger die Inflation höher empfinden als sie offiziell gemessen wird, passt die Politik ihre Kommunikation dem Gefühl an, anstatt die Ursachen – etwa Energiepreise oder Steuerlast – nüchtern zu analysieren. Das Ergebnis: Wahrnehmung steuert Politik, anstatt dass Politik Wahrnehmung korrigiert.

Wir haben uns also in eine Gefühlsgesellschaft manövriert. Immer stärker gilt das Bauchgefühl über nüchterne Analyse. In den Medien, aber auch in Teilen der Hochschulen, hat Aktivismus die Oberhand über Evidenz gewonnen. Besonders deutlich zeigt sich das in der Energiepolitik. Dort werden Narrative wichtiger genommen als belastbare Rechenmodelle. Parameter in Studien werden so lange angepasst, bis das gewünschte Ergebnis herauskommt. Realitätstests fehlen, weil man sie scheut – zu groß ist die Gefahr, dass die eigenen Versprechen nicht haltbar sind.

Ein zentrales Problem liegt in der Finanzierung: Forschung wird in Deutschland fast ausschließlich aus staatlichen Mitteln bezahlt. Damit ist sie zwangsläufig politisch gelenkt, denn gefördert wird, was in die Agenda passt. Kritische Stimmen oder alternative Ansätze tun sich schwer, überhaupt Gehör zu finden.

Gleichzeitig sitzen Praktiker – also die, die im Alltag Kraftwerke betreiben, Netze warten oder Genehmigungsprozesse durchstehen müssen – in den entscheidenden Runden oft nicht mit am Tisch. Damit fehlt der Realitätssinn.

Das Ergebnis sind ambitionierte Ziele, die in der politischen Kommunikation glänzen, aber an den praktischen Hürden zerbrechen. Wer ein Windrad oder eine Leitung bauen will, weiß, wie viele Jahre Genehmigungsrecht und Bauzeiten in Deutschland kosten.

Dazu kommt die schlichte Physik: Energie kann nicht beliebig gespeichert oder transportiert werden. Wenn diese Grundlagen ignoriert werden, helfen die schönsten PowerPoint-Präsentationen nichts.

Beispiele für dieses Denken nach dem Motto „Grün um jeden Preis“ gibt es genug: Der schnelle Atomausstieg trotz fehlender Speichertechnologien, das Verbot neuer Öl- und Gasheizungen ab 2024, das erst nach massivem Widerstand abgemildert wurde (Tagesschau), oder das Dogma, auf Kernkraft gänzlich zu verzichten, während selbst Frankreich und Finnland neue Reaktoren bauen.

Man sieht das Muster auch an prominenten Projekten außerhalb der Energiepolitik. Der Flughafen Berlin BER wurde nach ursprünglich für 2011 geplanter Eröffnung erst im Oktober 2020 in Betrieb genommen – nach 14 Jahren Bauzeit und mit Gesamtkosten von über 7 Milliarden Euro.

Stuttgart 21 ist ein Symbolprojekt für Kostenexplosionen: Aus einer ursprünglich im Finanzierungsvertrag festgelegten Obergrenze von rund 4,5 Milliarden Euro sind mittlerweile knapp 11 Milliarden geworden – mehr als das Doppelte.

Diese beiden Fälle stehen sinnbildlich für eine Kultur, in der Ankündigungen wichtiger sind als solide Planung und Umsetzung.

So entsteht ein Teufelskreis: Politik verspricht große Transformation, Wissenschaft liefert die passenden Modelle, die Realität bleibt außen vor. Am Ende verlieren Bürger und Unternehmen das Vertrauen, weil sie merken, dass die Ankündigungen und die tatsächlichen Ergebnisse nicht zusammenpassen.

Kulturproblem: Vorauseilender Gehorsam

Von der Vorstandsetage bis zum Elternbeirat zeigt sich dasselbe Muster: Offener Widerspruch wird gescheut, Kritik lieber verschwiegen, weil sie unbequem ist. Statt Klartext dominiert das Nicken. Man stimmt opportunistisch zu, fordert neue Subventionen oder hofft still, dass sich die Dinge von selbst regeln. Dieses Schweigen ist kein Zufall, sondern ein System – und es schwächt uns.

Lange konnte man sich das leisten, weil das Wirtschaftswachstum wie ein Nebel über den Fehlentwicklungen lag. Solange die Kassen gefüllt waren, kaschierten volle Steuereinnahmen die Versäumnisse. Doch jetzt, da die Polster aufgebraucht sind, tritt der Elefant klar hervor, der schon seit Jahren im Raum steht. Und dieser Elefant hat viele Gesichter: Eine wuchernde Bürokratie, ein spürbarer Kompetenzmangel in Schlüsselpositionen und Anreizsysteme, die falsches Verhalten nicht sanktionieren, sondern belohnen.

Man muss sich nur den Alltag ansehen: Das ifo Institut berichtet in einer Umfrage unter Führungskräften aus deutschen Unternehmen, dass Beschäftigte rund 22 % ihrer Arbeitszeit für bürokratische Tätigkeiten aufwenden, etwa für Berichtspflichten, Dokumentationen oder Meldepflichten. Laut einer DIHK-Umfrage 2024 betrachten über 70 Prozent der Betriebe Bürokratie inzwischen als größtes Investitionshemmnis.

Auch Bürger erleben Behörden, die Monate brauchen, um einfache Vorgänge zu erledigen – vom neuen Personalausweis bis zur Baugenehmigung. In Ministerien gilt dasselbe Muster: Wer kurzfristige Schlagzeilen produziert, wird belohnt; wer an langfristigen Reformen arbeitet, bleibt oft unsichtbar. Verwalten schlägt Gestalten.

Besonders deutlich wird das bei Förderprogrammen. Politiker können mit einem neuen Subventionstopf sofort glänzen, Bänder durchschneiden und Gestaltungswillen demonstrieren. Ob die Programme jemals wirken, ob sie wirklich Wettbewerbsfähigkeit stärken oder Bürokratie abbauen – das zeigt sich erst Jahre später, wenn sich niemand mehr daran erinnert. Die kurzfristige Belohnung liegt beim politischen Akteur, die langfristigen Kosten tragen Bürger und Unternehmen.

Wie absurd dieses System ist, zeigt ein Praxisfall: Ein Unternehmer, der Tonerkartuschen vertreibt, betreibt ein Lager, in dem nicht eine einzige Leiter steht. Trotzdem zwingt ihn die Vorschrift, einen „Leiterbeauftragten“ zu benennen und regelmäßig schulen zu lassen. Bürokratie kann grotesker kaum sein. Wer solche Beispiele kennt, versteht, warum Vertrauen in den Standort schwindet.

So entsteht eine Kultur des Wegschauens. Entscheidungen werden vertagt, Risiken beschönigt, Fehler übertüncht. Doch Probleme verschwinden nicht, wenn man sie ignoriert – sie wachsen. Je länger man sie liegen lässt, desto schwerer und teurer wird ihre Lösung. Ohne klare Worte, Mut zum Dissens und die Bereitschaft, unangenehme Wahrheiten auszusprechen, wird dieser Knoten nicht zu lösen sein.

Politische Anreize: Warum gute Leute schlechte Entscheidungen treffen

Das deutsche Listensystem in der Politik belohnt nicht Mut oder Urteilskraft, sondern Linientreue. Wer gegen die Parteilinie stimmt, riskiert nicht nur seinen Listenplatz, sondern auch seine gesamte Karriere. Damit entsteht ein Klima, in dem Abgeordnete oft wider besseres Wissen die Hand heben – nicht, weil sie überzeugt sind, sondern weil sie wissen: Abweichendes Verhalten wird bestraft.

Dass Abweichler schnell marginalisiert werden, zeigt die Geschichte immer wieder. Ein bekanntes Beispiel war die Abstimmung über die Griechenland-Rettungspakete vor gut zehn Jahren. Abgeordnete, die gegen die Linie ihrer Fraktion stimmten und auf die finanziellen Risiken hinwiesen, verloren wichtige Ausschussposten oder fanden sich auf den nächsten Listenplätzen weit hinten wieder. Die Botschaft war eindeutig: Wer ausschert, riskiert sein politisches Überleben.

Hinzu kommt die materielle Seite. Ein Bundestagsabgeordneter erhält derzeit eine monatliche Entschädigung von 11.833,47 € – das ist rund das 2,5-Fache des durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes von Vollzeitbeschäftigten in Deutschland (4.701 € im Jahr 2024; Destatis). Ein Mandat bietet damit hohe Sicherheit, auch ohne langjährige Berufserfahrung in der freien Wirtschaft. Das setzt Anreize, die nicht immer die besten Talente hervorbringen. Kritiker sprechen von einem System, das eher Anpassung als Exzellenz belohnt.

Besonders sichtbar wird das in den großen Fragen unserer Zeit – Energiepolitik, Haushaltspolitik, Migrationspolitik. Hier stimmen viele Abgeordnete mit der Fraktion, obwohl sie im Hintergrund Zweifel äußern. Das Problem ist strukturell: Parteien kontrollieren den Zugang zu Mandaten. Wer politisch überleben will, passt sich an. So entsteht Gleichförmigkeit, die Debatten arm macht und echte Korrekturen verhindert. Statt lebendiger Auseinandersetzung gibt es oft Abnickrunden, in denen das Ergebnis längst feststeht.

Doch es gibt Alternativen. Länder wie die Schweiz zeigen, wie direkte Demokratie die Politik beleben und Entscheidungen stärker an den Bürgerwillen binden kann. Mehr personalisierte Verantwortung – Abgeordnete, die wirklich für ihre Wahlkreise stehen und nicht nur für die Parteilinie – würde den Mut stärken, eigene Positionen zu vertreten. Und ein klarer Fokus auf die Kernaufgaben des Staates – Rechtsstaatlichkeit und innere Sicherheit – würde helfen, politisches Handeln wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Statt Mikromanagement und kleinteiligen Eingriffen braucht es mehr Vertrauen in Bürger und Wirtschaft.

Deutschland hätte die Chance, aus einem starren System ein lernfähiges zu machen. Aber dafür müsste man den Mut haben, die Macht der Parteiapparate zu begrenzen – und echte Verantwortung an Abgeordnete und Bürger zurückzugeben.

Generationenblick ohne Märchen

Die junge Generation ist keineswegs so einheitlich, wie es in Schlagzeilen oft wirkt. Ja, es gibt stark politisierte Milieus, die sich mit Klima- und Identitätsfragen beschäftigen und dafür viel Aufmerksamkeit bekommen. Aber daneben wächst eine ganz andere Gruppe heran: Leise, leistungsbereit, pragmatisch und international orientiert. Junge Menschen, die in ihre Ausbildung investieren, mehrere Sprachen sprechen, Auslandserfahrung sammeln – und mobil genug sind, Deutschland zu verlassen, wenn sie bessere Chancen sehen.

Genau hier liegt das Alarmsignal. Wer mit Mitte zwanzig bereits ernsthaft überlegt, nach Zürich, London, Singapur oder in die USA zu gehen, dokumentiert damit den Vertrauensverlust in heimische Strukturen. Diese Überlegung ist keine Randerscheinung: Laut Bertelsmann Stiftung wandern jedes Jahr netto rund 150.000 Fachkräfte ab. Viele berichten, dass sie in Deutschland zu viel Zeit mit Formalitäten und zu wenig mit Leistung verbringen. Karrierewege wirken zäh und unübersichtlich, während anderswo Tempo, klare Ziele und Aufstiegsmöglichkeiten herrschen.

Der Unterschied lässt sich auch finanziell messen: Ein Hochschulabsolvent im Bereich IT verdient in Zürich im Median rund 90.000 Franken brutto – in Berlin sind es laut Destatis kaum 55.000 Euro. Dazu kommen erheblich niedrigere Steuern in der Schweiz oder in US-Bundesstaaten wie Florida. Der Netto-Unterschied macht schnell 20–30 Prozent aus – ein Vorsprung, der über Karrieren entscheidet.

Wenn Deutschland seine Talente halten will, reicht es nicht, neue Förderprogramme oder Strategiepapiere aufzusetzen. Entscheidend sind die Rahmenbedingungen im Alltag:

  • Verlässlichkeit, dass Zusagen eingehalten werden.
  • Geschwindigkeit, dass Genehmigungen nicht Jahre dauern.
  • Aufstiegschancen, dass Leistung belohnt wird – und nicht das richtige Parteibuch.
  • Eine Kultur, in der Erfolg nicht misstrauisch beäugt, sondern anerkannt wird.

Leistung, Geschwindigkeit, Verlässlichkeit, Aufstieg – das sind die Punkte, die zählen. Wer diese Grundlagen nicht schafft, darf sich nicht wundern, wenn die nächste Generation ihr Glück lieber woanders sucht. Und die Zahlen zeigen: Sie ist längst auf dem Sprung.

Der Verteilungstunnelblick

Ein Blick auf die Talkshows im deutschen Fernsehen wirkt wie ein Brennglas: Die Diskussionen kreisen fast ausschließlich um Umverteilung. Wer bekommt mehr? Wer soll verzichten? Welche Gruppe gilt als „gerecht“ behandelt, welche angeblich noch zu wenig belastet?

Kaum je thematisiert wird die eigentliche Grundlage jeder Wohlstandsdebatte: die Wertschöpfung. Ohne steigende Produktivität, ohne Investitionen in Kapitalstock und Innovation bleibt jede Gerechtigkeitsdiskussion ein Nullsummenspiel. Man verteilt dann nur das, was ohnehin zu wenig vorhanden ist.

Wer heute fordert, die Steuern „auf die Richtigen“ zu erhöhen, ohne gleichzeitig Bürokratie abzubauen, Investitionen zu entfesseln und Arbeit zu erleichtern, der sägt an dem Ast, auf dem alle sitzen. Höhere Abgaben mögen kurzfristig mehr Einnahmen bringen. Doch wenn Unternehmen im Gegenzug weniger investieren und Fachkräfte abwandern, schrumpft mittelfristig das Kuchenstück, das überhaupt noch verteilt werden kann. Man kann eine Kuh nur melken, solange sie gefüttert wird.

Wie groß die Unterschiede in den Rahmenbedingungen sind, zeigt ein einfaches Rechenbeispiel: Ein verheiratetes Paar mit einem zu versteuernden Einkommen von 400.000 Dollar zahlt in den USA – am Beispiel Florida – rund 92.679 Dollar an Steuern und Abgaben. Das entspricht einer Gesamtbelastung von etwa 23,2 Prozent: ungefähr 75.076 Dollar Bundessteuer (18,8 Prozent) plus 17.603 Dollar FICA-Abgaben (4,4 Prozent) für Social Security und Medicare. Eine staatliche Einkommensteuer gibt es in Florida nicht.

Zum Vergleich: Ein verheiratetes Paar mit 400.000 Euro Einkommen zahlt in Deutschland rund 146.000 Euro Einkommensteuer und etwa 62.000 Euro Sozialabgaben. Zusammen macht das eine Gesamtbelastung von rund 52 Prozent. Der Unterschied ist frappierend: Während in den USA ein erheblicher Teil des Einkommens für Investitionen, Konsum oder Rücklagen bleibt, fließt in Deutschland mehr als die Hälfte an den Staat.

Für leistungsbereite Menschen und Unternehmen ist das ein klares Signal: Wer wachsen und gestalten will, sucht sich Standorte mit besseren Rahmenbedingungen.

Diese Logik ist so alt wie die Ökonomie selbst: Man kann nur so viel verteilen, wie zuvor erwirtschaftet wurde. Länder, die das verstanden haben, konzentrieren sich auf die Stärkung von Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit.

Deutschland hingegen verstrickt sich zunehmend in Detailregeln und Umverteilungsdebatten – und gefährdet damit genau die Basis, die jede soziale Sicherheit überhaupt erst möglich macht.

Energiepolitik am Abgrund

Ein Industrieland ausschließlich mit Wind- und Solarenergie versorgen zu wollen und gleichzeitig aus Kernkraft und bald auch aus Kohle auszusteigen – ohne gesicherte Alternativen, Speicher, stabile Netze, Reservekapazitäten und Basistechnologien – das ist nicht visionär, das ist zerstörerisch. Wer so handelt, gefährdet die Grundlage unserer industriellen Wertschöpfung und damit Wohlstand, Arbeitsplätze und gesellschaftliche Stabilität.

Energiepolitik muss drei einfache, aber entscheidende Prüfungen bestehen:

  1. Versorgungssicherheit: Strom muss jederzeit verfügbar sein, nicht nur, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht. Ohne Backup-Systeme steht jedes Unternehmen und jeder Haushalt im Risiko. Deutschland verzeichnete 2023 insgesamt 158.360 Versorgungsunterbrechungen im Stromnetz – ein Warnsignal für die Versorgungssicherheit.
  2. Bezahlbarkeit: Energiepreise dürfen nicht dauerhaft deutlich höher liegen als in vergleichbaren Ländern. 2025 zahlt die deutsche Industrie rund 18–20 Cent pro kWh – mehr als doppelt so viel wie Unternehmen in den USA (~8 Cent) und signifikant mehr als in Frankreich (~12 Cent).
  3. CO₂-Wirksamkeit pro investiertem Euro: Es geht nicht darum, wer die schönsten Versprechen formuliert, sondern darum, wo man mit jedem eingesetzten Euro den größten Beitrag zur Emissionssenkung erzielt. In Finnland und Frankreich etwa senkt Kernkraft zuverlässig Emissionen – in Deutschland hingegen steigen die Emissionen in Übergangsphasen durch höheren Gas- und Kohleeinsatz wieder an.

Der Rest ist Rhetorik. Politische Reden, vollmundige Ziele oder neue Aktionspläne ändern nichts an den physikalischen Grundlagen. Ohne Speichertechnik, ohne robuste Netze und ohne Reservekapazitäten wird die Energiewende nicht funktionieren – egal, wie oft sie beschworen wird.

Andere Länder kombinieren deshalb erneuerbare Energien mit Kernkraft oder modernen Gas- und Speicherlösungen. Deutschland hingegen steuert sehenden Auges in ein energiepolitisches Experiment, das teuer, riskant und im Kern zerstörerisch ist.

Bildung zuerst – sonst verliert Deutschland seine Mitte

Die Grundlagen für jedes leistungsfähige Land beginnen bei den einfachsten Dingen: Lesen, Schreiben, Rechnen. Frühkindliche Förderung ist dabei entscheidend. Sprachkompetenz darf keine Option, sie muss Pflicht sein. Ohne Sprache fehlt der Schlüssel zu Bildung, Integration und beruflichem Erfolg. Schon heute erreichen laut IQB-Bildungstrend rund 25 Prozent der Viertklässler nicht die Mindeststandards im Lesen – ein Alarmsignal.

Darauf aufbauend braucht es ein klares Leistungsprinzip ohne Ausreden. Leistung muss anerkannt und belohnt werden. Gleichzeitig brauchen Kinder aus benachteiligten Familien echte Unterstützung, damit Herkunft nicht über Zukunft entscheidet. Chancengleichheit heißt nicht, Unterschiede einzuebnen, sondern jedem Zugang zu denselben Grundlagen zu ermöglichen.

Auch die berufliche Ausbildung verdient mehr Wertschätzung. Das duale System ist international anerkannt, doch im Inland verliert es an Attraktivität. Wer Fachkräfte sichern will, muss die Ausbildung finanziell und gesellschaftlich aufwerten.

Parallel dazu sollte Studienförderung gezielt an MINT-Fächer gekoppelt werden – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik. Hier entscheidet sich, ob Deutschland in Schlüsselbranchen konkurrenzfähig bleibt. Laut dem aktuellen MINT-Frühjahrsreport 2025 des Instituts der deutschen Wirtschaft bleiben 163.600 MINT-Stellen unbesetzt – ein deutliches Alarmsignal für die Innovationsfähigkeit Deutschlands.

Zugleich muss Zuwanderung konsequent nach Fähigkeiten gesteuert werden. Es reicht nicht, abstrakt von Fachkräften zu sprechen. Es braucht klare Kriterien: anerkannte Abschlüsse, nachweisbare Berufserfahrung, Sprachlevel, unterschriebener Arbeitsvertrag. Nur so wird aus Zuwanderung ein Gewinn für Gesellschaft und Wirtschaft – und nicht ein weiteres bürokratisches und Dauerproblem.

Die Botschaft ist einfach: Ohne Bildungs- und Integrationswende keine Produktivitätswende. Wer diese Basis vernachlässigt, verspielt die Wettbewerbsfähigkeit der kommenden Generationen.

Migration: Ehrlich rechnen, klug steuern

Deutschland braucht Zuwanderung – aber sie muss arbeitsmarktorientiert sein. Es reicht nicht, abstrakt von „Fachkräften“ zu sprechen, während in der Praxis oft zu wenige wirklich für Beschäftigung kommen. Entscheidend sind Kriteriensysteme, die klar messen: Welchen Netto-Beitrag leistet jemand? Welche Qualifikationen liegen vor? Welche Perspektiven entstehen? Andere Länder machen es längst vor. Kanada, Australien, Neuseeland steuern Einwanderung über Punktesysteme, die Ausbildung, Berufserfahrung, Sprachkompetenz und Alter berücksichtigen.

Ein Blick nach Kanada zeigt, wie effektiv das sein kann. Wer dort einwandert, durchläuft ein transparentes Verfahren: Punkte gibt es für ein abgeschlossenes Studium oder eine Berufsausbildung, für Berufserfahrung in gefragten Branchen, für Sprachkompetenz in Englisch oder Französisch und für ein konkretes Jobangebot. Schon während des Bewerbungsverfahrens ist klar, ob die Kriterien erfüllt sind.

Wer angenommen wird, kann in der Regel innerhalb weniger Monate arbeiten – nicht erst nach jahrelanger Anerkennungsbürokratie. Das Ergebnis: Zuwanderung wird nicht als Belastung, sondern als Bereicherung wahrgenommen. Während in Kanada laut CIC News fast 76 % der Neuankömmlinge durch das Express-Entry-System eine Anstellung finden, liegt die Beschäftigungsrate von geflüchteten Menschen in Deutschland im ersten Jahr bei unter 10 % (IAB-BAMF-SOEP-Panel).

In Deutschland fehlt ein funktionierendes Entry-System. Wer hierher kommt, muss die Möglichkeit haben, rasch in Arbeit zu gehen. Das setzt voraus, dass Abschlüsse zügig anerkannt werden, dass Sprachkurse verbindlich und effizient sind und dass die Verwaltung digital arbeitet, statt Monate mit Papierakten zu verlieren. Jeder Tag ohne Beschäftigung kostet nicht nur den Staat Geld, sondern bremst auch die Integration – und frustriert die Menschen, die eigentlich arbeiten wollen.

Ebenso wichtig ist das Prinzip der Fairness. Wer nicht arbeitet, darf nicht besser gestellt sein als derjenige, der jeden Morgen um sechs Uhr aufsteht und seine Familie mit ehrlicher Arbeit versorgt. Das ist keine Härte, sondern eine Grundbedingung für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wer leistet, muss spüren, dass es sich lohnt. Wer Unterstützung braucht, soll sie bekommen – aber immer mit dem Ziel, in Arbeit und Eigenständigkeit zu kommen.

Nur wenn Zuwanderung so gesteuert wird, wird sie zum Gewinn für alle: für die Wirtschaft, die dringend Fachkräfte braucht; für die Gesellschaft, die Stabilität sichern will; und für die Menschen, die hier eine Zukunft aufbauen möchten.

Bürokratie: Vom Lippenbekenntnis zum Kettensägen-Modus

Regulierung in Deutschland funktioniert bislang fast ausschließlich in eine Richtung: Es kommen ständig neue Normen und Vorschriften hinzu – alte werden nur selten gestrichen. Genau hier braucht es einen radikalen Kurswechsel. Jedes Jahr sollte nicht nur ein festes Kontingent an Normen beschlossen, sondern auch abgeschafft werden. Nur so entsteht ein Anreiz, bestehende Regelwerke auf ihre Notwendigkeit und Wirkung zu überprüfen.

Ein wirkungsvolles Instrument dafür sind Sunset-Klauseln. Gesetze und Verordnungen würden dann nicht unbegrenzt gelten, sondern nach einer Frist automatisch auslaufen, sofern sie nicht aktiv überprüft und erneuert werden. Das zwingt Verwaltung und Politik, regelmäßig zu prüfen, ob eine Regel noch Sinn ergibt – oder längst überholt ist.

Ebenso entscheidend ist ein konsequentes Digital-by-Default-Prinzip. Verfahren sollten standardmäßig digital ablaufen: einfach, transparent und für alle Beteiligten nachvollziehbar. Das spart Zeit und Kosten – und verhindert, dass Unternehmen Aktenordner füllen müssen, nur um einfache Anträge einzureichen.

Laut OECD Regulatory Policy Outlook liegt Deutschland bei der Digitalisierung von Verwaltungsverfahren nur im unteren Mittelfeld der Industriestaaten.

Und schließlich braucht es echte Haftung der Verwaltung bei Fristüberschreitungen. Ein klares „Genehmigt, wenn keine Antwort“ würde sicherstellen, dass Anträge nicht endlos in Schubladen liegenbleiben. Wer investiert, braucht Verlässlichkeit – nicht Hängepartien.

In der Praxis dauern Baugenehmigungen in Deutschland häufig deutlich länger als offiziell veranschlagt. Der BDI spricht bei größeren Projekten von Verfahren, die nicht selten über zwölf Monate beanspruchen. Im internationalen Vergleich ist das eklatant:

Laut Weltbank benötigte Deutschland im Schnitt rund 120 Tage, während Länder wie Dänemark oder Dänemark Genehmigungen oft in weniger als 30 Tagen erteilen.

Fristen von wenigen Wochen verdankt man dort digitalen Antragsportalen, festen Zeitfenstern für Rückmeldungen und klaren Zuständigkeiten. Das Ergebnis: Anderswo werden Häuser und Projekte umgesetzt, während hierzulande Aktenberge wachsen.

Das Ziel ist nicht, „schneller zu wurschteln“, sondern verlässlich und planbar zu werden. Denn Investitionen fließen dorthin, wo Projekte tatsächlich umgesetzt werden. Länder, die einfache Genehmigungsverfahren und klare Fristen bieten, ziehen Kapital und Arbeitsplätze an. Deutschland dagegen riskiert, durch seinen regulatorischen Wildwuchs immer weiter ins Hintertreffen zu geraten.

Förderwahn statt Wirkung

Kein Euro sollte mehr ausgegeben werden, ohne dass ein klarer Wirkungsnachweis vorliegt. Gerade bei Infrastruktur- und Bildungsinvestitionen muss gelten: Jeder Einsatz von Steuergeld wird an Kennzahlen gemessen – Kosten, Zeit, Output. Ob es um den Bau einer Schule, die Sanierung einer Brücke oder den Ausbau digitaler Netze geht: Am Ende muss überprüfbar sein, ob das Ziel erreicht wurde und ob der eingesetzte Euro den versprochenen Nutzen gebracht hat.

Wenn Schulden aufgenommen werden, dann ausschließlich für Projekte, die echte Rendite erzeugen. Rendite heißt hier nicht Gewinn im betriebswirtschaftlichen Sinn, sondern gesteigerte Produktivität, eine breitere Steuerbasis oder messbare gesellschaftliche Effekte wie höhere Bildungsabschlüsse. Alles andere gehört in den laufenden Haushalt – oder sollte besser ganz unterbleiben.

Förderprogramme müssen radikal ausgedünnt werden. Heute gibt es für fast jedes Thema ein eigenes Förderinstrument – oft kompliziert, teuer in der Verwaltung und am Ende mit geringem Effekt.

Ein Negativbeispiel ist die Förderung von E-Autos: Zwischen 2016 und 2022 flossen insgesamt rund 9,5 Milliarden Euro in Kaufprämien für Elektro- und Hybridfahrzeuge. Laut jüngster Forschung im Journal Environmental and Resource Economics liegen die CO₂-Vermeidungskosten – also die Kosten pro eingesparter Tonne – bei etwa 870 €/Tonne für batterieelektrische Fahrzeuge (BEVs) und sogar bei 2.470 €/Tonne für Plug-in-Hybride (PHEVs) – ein Vielfaches dessen, was andere Klimaschutzmaßnahmen leisten.

Ebenfalls kein Ruhmesblatt sind Dämmzuschüsse, die Milliarden kosten, aber deren Wirkung sich oft erst nach Jahrzehnten zeigt. Laut einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft liegen die tatsächlichen Vermeidungskosten bei Wärmeschutzmaßnahmen bei bis zu 4.936 € pro eingesparter Tonne CO₂ – ein Vielfaches dessen, was andere Klimaschutzprogramme leisten.

Für 2024 allein wurden aus dem Klima- und Transformationsfonds rund 16,7 Mrd. € für Gebäudeförderung bereitgestellt. Studien zeigen zugleich eine große Spannweite der CO₂-Vermeidungskosten: Bei typischen Wohnhaussanierungen reichen sie je nach Ausgangszustand von wenigen Dutzend Euro bis über 200 € je Tonne – teils ein Vielfaches kostengünstigerer Alternativen. Als Benchmark nennt das Umweltbundesamt für 2024 gesellschaftliche CO₂-Kostensätze von rund 300 € je Tonne (mit oberen Schadenskosten von ca. 880 €).

Steuern anstatt Fördern

Stattdessen braucht es ein einfaches Steuersystem, das Investitionen erleichtert, und klare Regeln für schnellere Abschreibungen. Wer investiert, soll sein Kapital zügig steuerlich geltend machen können. Das schafft Anreize, in Zukunftsprojekte zu gehen, anstatt auf Subventionen zu warten.

Der Grundsatz ist einfach: Jeder Euro muss an seiner Wirkung gemessen werden. Nur so entsteht eine Kultur der Verantwortung, in der nicht Schlagzeilen zählen, sondern Ergebnisse.

Handeln statt Hoffen

Was braucht es nun konkret? Vor allem Klarheit und Mut – in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Rezepte sind nicht kompliziert, sie verlangen nur Konsequenz:

  1. Mut zum Widerspruch: Im Betrieb, im Verband, im Elternrat – überall dort, wo Entscheidungen vorbereitet oder diskutiert werden. Es reicht nicht mehr, die Augen zu senken und mitzulaufen. Wer Missstände erkennt, muss sie sachlich, aber hörbar benennen. Fortschritt beginnt mit Dissens, nicht mit Schweigen.
  2. Prioritäten setzen: Zeit, Geld und Aufmerksamkeit gehören dorthin, wo Produktivität entsteht – in Bildung, Infrastruktur, Forschung und Unternehmertum. Alles andere ist zweitrangig. Staaten wie OECD-Vorreiter investieren überproportional in diese Felder – und genau dort entsteht ihr Wachstumsvorsprung.
  3. Shitstorm-Resilienz: Nicht jede Empörungswelle auf Twitter oder TikTok ist ein politisches Erdbeben. Wer Verantwortung trägt, darf sich nicht von jedem Schulterzucken aus der Spur bringen lassen. Stabilität entsteht, wenn man Kurs hält – auch wenn der Wind von vorn kommt. Das gilt in Unternehmen genauso wie in der Politik.
  4. Koalitionen der Vernünftigen: Mittelstand, Kommunen, Praktiker aus Wirtschaft und Verwaltung gehören an einen Tisch. Ihre Erfahrungen sind wertvoller als viele Strategiepapiere. Ergebnisse aus der Praxis sollten öffentlich sichtbar gemacht werden – nachvollziehbar und pragmatisch. Es braucht weniger Hochglanzberichte, dafür mehr gelebte Realität.
  5. Talente fördern: Junge Menschen brauchen Ausbildung, Praktika und echte Verantwortung – nicht erst „nach der nächsten Reform“, sondern sofort. Sie sind die Basis, auf der alles Weitere aufbaut. Jeder Euro, der in Ausbildung fließt, zahlt sich doppelt aus: durch höhere Produktivität und durch Vertrauen in den Standort.
  6. Ehrlichkeit beim Investieren: Unternehmen und Privatpersonen müssen nüchtern prüfen, ob sich Projekte in Deutschland noch rechnen. Wer feststellt, dass die Rahmenbedingungen nicht stimmen, wird Kapital ins Ausland verlagern. Manche werden sogar persönlich die Konsequenz ziehen und auswandern. Das ist ein Tabuthema in vielen Debatten – aber es ist Realität. Schon heute zeigen Bundesbank-Daten, dass deutsche Unternehmen jährlich über 135 Milliarden Euro ins Ausland investieren. Kapital ist mobil – und es stimmt am Ende mit den Füßen ab.

Handeln statt hoffen: Nur wenn wir diese Schritte gehen, hat Deutschland eine Chance, wieder vom Verwalter- in den Gestaltermodus zu wechseln.

Kurswechsel jetzt – oder wir zahlen später den doppelten Preis

Deutschland braucht weniger Staat im Detail, dafür mehr Staat im Kern. Nicht noch mehr Symbolgesetze, die Schlagzeilen produzieren, sondern operative Exzellenz in den Aufgaben, die wirklich zählen: Sicherheit, Rechtsstaat, Bildung, Infrastruktur. Stattdessen erleben wir oft das Gegenteil – endlose Detailregelungen und moralische Appelle, während Brücken bröckeln, Schulen Personalmangel haben und Genehmigungen Jahre dauern.

Wir brauchen weniger Moralrhetorik und mehr Mathematik. Nicht gefühlte Wahrheiten, sondern klare Berechnungen und Evidenz müssen die Basis von Politik und Verwaltung sein. Ob in Energiepolitik, Finanzen oder Migration: Es zählt nicht, was sich gut anhört – sondern was messbar funktioniert.

Und es beginnt nicht in Talkshows oder Wahlprogrammen, sondern bei uns selbst. Beim Mut, unpopuläre Dinge klar auszusprechen. Beim Beharren auf Evidenz, auch wenn sie unbequem ist. Und bei der Bereitschaft, Wohlstand erst zu erwirtschaften, bevor wir ihn verteilen.

Wenn wir das nicht tun, wird die Korrektur unweigerlich kommen – härter, mit weniger Optionen und mehr Zwang. Am Ende steht eine Generation, die uns leise den Rücken kehrt, weil sie ihre Chancen anderswo sucht. Schon heute investieren Bürger und Unternehmen verstärkt im Ausland, wo Planungssicherheit, Energiepreise und Steuerlast günstiger sind.

Laut Bundesbank erreichten die Auslandsinvestitionen deutscher Firmen 2023 ein hohes Niveau von über 135 Milliarden Euro. Kapital ist mobil – und es fließt dorthin, wo Wertschöpfung möglich ist.

Der Kurswechsel ist unvermeidlich. Die einzige Frage ist: Wollen wir ihn jetzt gestalten – oder später unter Zwang und zu weit höheren Kosten erdulden?

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