Wenn Sie als Investor in Offering Memoranden oder Investment-Decks blättern, begegnen Ihnen fast immer dieselben Kürzel: ROI, IRR, Equity Multiple, AAR – und dazu die oft missverstandene Unterscheidung zwischen Return on Capital und Return of Capital. Alles klingt nach Rendite, doch nicht jede Zahl erzählt dieselbe Geschichte. Die entscheidende Frage lautet: Welche Kennzahl beschreibt die Realität Ihres Geldes am besten – und welche führt in die Irre?
Return on Capital vs. Return of Capital
Der erste Schritt ist die saubere Trennung dieser beiden Begriffe.
- Return of Capital bedeutet: Sie erhalten Ihr ursprünglich investiertes Kapital zurück. Wenn Sie also 100.000 USD investieren und später 20.000 USD aus einer Refinanzierung oder Ausschüttung erhalten, handelt es sich häufig um eine Rückzahlung Ihrer Einlage – nicht um Gewinn.
- Return on Capital beschreibt den Ertrag, den Ihr Kapital erwirtschaftet hat, also das, was über Ihre ursprüngliche Investition hinausgeht.
Beides zusammen ergibt den Total Return, also die Gesamtsumme aus Rückzahlung und Gewinn. In professionellen Analysen ist diese Unterscheidung zentral – nicht, weil sie akademisch wäre, sondern weil sie bestimmt, ob Kapital arbeitet oder nur zirkuliert.
Echte Rendite entsteht auf Ihr Geld, nicht von Ihrem Geld.
ROI – der einfache Schnappschuss
Der Return on Investment (ROI) ist die elementarste aller Kennzahlen. Er zeigt auf einen Blick, wie viel Gewinn ein Investment im Verhältnis zum eingesetzten Kapital erwirtschaftet hat.
Beispiel: Sie investieren 100.000 USD und erhalten nach fünf Jahren 150.000 USD zurück. Ihr ROI beträgt 50 %.
Vorteil: Der ROI ist intuitiv und schnell zu verstehen – ideal für einen ersten Vergleich.
Nachteil: Er blendet den Faktor Zeit aus. 50 % Rendite in einem Jahr sind etwas völlig anderes als 50 % über fünf Jahre, denn 50 % Gesamtrendite über 5 Jahre wären rund 8,45 % p.a.
ROI ist daher ein Schnappschuss, keine Zeitrafferaufnahme. Er beantwortet die Frage: Wie viel? aber nicht: Wie schnell?
Gerade im Immobilienkontext, wo Cashflows über Jahre verteilt fließen, liefert der ROI allein kaum Entscheidungssicherheit. Viele Investoren (und erst recht Verkäufer) mögen den ROI, weil er sofort funktioniert, ohne Rechenweg: Man teilt einfach den Gewinn durch das eingesetzte Kapital – fertig. Kein Diskontieren, keine Cashflow-Modelle, kein Excel.
ROI klingt nach einer klaren Zahl, die jeder intuitiv versteht. Wenn jemand sagt: „Wir machen 40 % Rendite“, wirkt das greifbarer als „8,7 % IRR“. In vielen Exposés wird darum der ROI bewusst verwendet, weil er besser aussieht.
Eine Gesamtrendite von 50 % klingt überzeugend – auch wenn sie sich über fünf oder sieben Jahre verteilt. In traditionellen Kapitalanlagen (Aktien, Fonds, Unternehmensbeteiligungen) war ROI lange der Standard. Der Begriff ist vertraut, andere Begriffe wie der IRR dagegen wirken technisch und „institutionell“.
Das offene Geheimnis: Menschen reagieren stärker auf absolute Summen als auf zeitgewichtete Prozentsätze. „Ich verdiene 50 %“ aktiviert Begeisterung – „8,45 % jährlich“ klingt nüchterner, obwohl es realistischer ist.
IRR – Timing ist alles
Die Internal Rate of Return (IRR) schließt genau diese Lücke. Sie berücksichtigt den Zeitpunkt der Cashflows – und damit den Zeitwert des Geldes. 10.000 USD im ersten Jahr sind schlicht mehr wert als dieselbe Summe im fünften Jahr.
Der IRR zeigt, wie effizient Kapital über die Laufzeit eines Investments eingesetzt wurde:
- Frühe und regelmäßige Ausschüttungen erhöhen den IRR, weil Kapital schneller zurückfließt.
- Späte, einmalige Auszahlungen – etwa beim Verkauf – drücken den IRR, selbst wenn das Gesamtergebnis identisch bleibt.
Das macht den IRR zur aussagekräftigsten Kennzahl, wenn Sie Projekte mit unterschiedlichen Ausschüttungsprofilen vergleichen. Er beantwortet die Frage, wie stark Ihr Kapital pro Jahr gearbeitet hat – nicht nur, wie viel es am Ende gebracht hat. In Deutschland kennen wir den IRR als „Internen Zinsfuß“ oder auch „effektiven Jahreszins“.
Zugleich sollte man wissen: Der IRR kann bei komplexen Cashflow-Strukturen oder Reinvestitionen verzerrt wirken. Professionelle Investoren betrachten ihn daher nie isoliert, sondern im Zusammenspiel mit ROI und Equity Multiple, um das reale Chancen-Risiko-Profil zu verstehen.
Equity Multiple – das große Ganze
Das Equity Multiple zeigt, um wie viel sich das eingesetzte Eigenkapital über die gesamte Laufzeit eines Investments vervielfacht hat. Es ist eine der klarsten Kennzahlen, um das tatsächliche Gesamtwachstum zu messen.
Beispiel: Ein Multiple von 2 bedeutet: Aus 100.000 USD werden im Laufe der Investition 200.000 USD.
Das Equity Multiple blendet wie der ROI den Zeitfaktor aus – es sagt nichts darüber, wann die Rückflüsse erfolgen. Trotzdem liefert es den saubersten Überblick über das Gesamtergebnis.
In Kombination mit dem IRR entsteht ein präzises Bild: Der IRR zeigt die Effizienz, das Equity Multiple das Volumen des Erfolgs.
Konkret: Ein Investment mit einem Multiple von 2 bei einer Haltedauer von 5 Jahren ist also weniger attraktiv als eines mit 2 nach 3 Jahren – und genau hier kommt die IRR-Betrachtung ins Spiel. Das Equity Multiple ist die Kennzahl, die zeigt, wie viel Vermögen tatsächlich geschaffen wurde, während die IRR zeigt, wie schnell das Kapital gearbeitet hat.
AAR – der Durchschnitt pro Jahr
Die Average Annual Return (AAR) beschreibt die durchschnittliche Jahresrendite eines Investments – unabhängig davon, wann genau die Rückflüsse erfolgen. Sie ergibt sich, indem die Gesamtrendite durch die Anzahl der Jahre geteilt wird.
Wenn also ein Investment über 5 Jahre insgesamt 50 % Rendite erwirtschaftet, beträgt die AAR 10 % pro Jahr.
Ihr Vorteil liegt in ihrer Einfachheit und Vergleichbarkeit: Die AAR vermittelt, wie stark ein Investment im Durchschnitt pro Jahr gewachsen ist. Ihr Nachteil: Sie berücksichtigt – anders als der IRR – nicht den exakten Zeitpunkt der Ausschüttungen. Frühe und späte Zahlungen werden gleich behandelt.
In der Praxis entspricht die AAR dem, was viele Investoren „im Kopf“ berechnen: „Ich habe mein Kapital in 5 Jahren verdoppelt – also durchschnittlich 20 % pro Jahr verdient.“
Für die schnelle Plausibilitätsprüfung oder für Investoren ohne komplexe Modellrechnungen ist die AAR daher die verständlichste Kennzahl. Der IRR hingegen ist präziser, aber nur mithilfe von Excel oder Finanzsoftware exakt zu bestimmen, da er unregelmäßige Cashflows und Zeiträume mathematisch gewichtet.
Kurz gesagt: AAR spiegelt das intuitive Denken, IRR die exakte Berechnung.
Welche Kennzahl ist nun die wichtigste?
Die ehrliche Antwort lautet: Es hängt von Ihren Zielen ab. In der Praxis betrachten professionelle Investoren alle Größen im Zusammenspiel – und gewichten sie je nach Strategie.
- Für den Vergleich des Gesamtwachstums: Equity Multiple.
- Für die Effizienz des Kapitaleinsatzes im Zeitverlauf: IRR.
- Für eine schnelle, intuitive Übersicht: ROI.
- Für Nachvollziehbarkeit ohne technische Hürden: AAR.
Bei Whitestone Capital legen wir besonderen Wert auf den AAR – nicht, weil er akademisch exakter wäre, sondern weil er die Realität privater Investoren am besten abbildet: Er zeigt, wie stark Kapital im Durchschnitt jährlich wächst, ohne sich in Modellannahmen zu verlieren.
Renditeprognosen sind immer Projektionen auf Basis von Businessplänen. Jede Zahl mit einer Nachkommastelle ist letztlich eine Schätzung, keine Gewissheit. Darum bevorzugen wir Kennzahlen, die nachvollziehbar, prüfbar und transparent sind.
Wie bei ROI, IRR, AAR & Equity Multiple gern „legal getrickst“ wird
Zahlen können alles sagen – wenn man sie nur richtig auswählt. In vielen Investment-Präsentationen wird nicht gelogen, aber sehr gezielt gewichtet. Wer die Mechanik dahinter kennt, liest zwischen den Zeilen.
- ROI ohne Zeitbezug: „50 % Rendite“ – ohne Angabe der Laufzeit. Effekt: Klingt spektakulär, verschleiert aber die tatsächliche jährliche Verzinsung. Merksatz: ROI zeigt das Ergebnis – nicht die Geschwindigkeit.
- IRR durch frühe Rückflüsse aufpolieren: Frühzeitige Teilrückzahlungen oder Refinanzierungen heben den IRR – obwohl der Gesamtgewinn gleich bleibt. Merksatz: Ein hoher IRR kann heißen, dass Kapital nur kurz gebunden war – nicht, dass der Ertrag höher war.
- Equity Multiple ohne Laufzeit: „2,0 Multiple“ – also Kapital verdoppelt. Merksatz: 2,0× in drei Jahren ist stark; 2,0× in zehn Jahren nur mäßig. Multiple zeigt die Summe – nicht den Takt.
- AAR als „gefühlte“ Rendite: Durchschnittswerte statt zeitgewichteter Berechnung. Effekt: AAR wirkt stabil, unterschlägt aber, wann Gewinne tatsächlich entstehen. Merksatz: AAR ist leicht verständlich – aber selten präzise.
- Return of Capital als Rendite: Ausschüttungen werden als „Ertrag“ dargestellt, obwohl es sich teils um Kapitalrückflüsse handelt. Merksatz: Nicht jede Ausschüttung ist Gewinn.
- Exit-Effekte aufblähen: Der größte Teil der Rendite steckt im geplanten Verkauf (Exit) – und damit in einer Annahme. Merksatz: Je später der Ertrag, desto größer das Szenario.
- IRR ohne Gebühren: IRR wird „brutto“ angegeben – also vor Management-, Performance- oder Promote-Fees. Merksatz: Ein echter IRR endet erst nach Abzug aller Kosten.
- Mehrjahres-ROI als „jährlich“ formulieren: „Unser Investment erwirtschaftet 10 % pro Jahr“ – tatsächlich sind es 50 % über fünf Jahre. Merksatz: „Pro Jahr“ ist nur echt, wenn es auch wirklich jährlich berechnet wurde.
- Equity Multiple ohne Reinvestitionen: Gewinne werden nicht wieder angelegt, aber als „Gesamtrendite“ gezählt. Merksatz: Das Multiple zeigt, was zurückkommt – nicht, was zwischendurch gearbeitet hat.
Fazit
Zahlen lügen nicht – aber sie sagen nicht immer die ganze Wahrheit. ROI, IRR, AAR und Equity Multiple sind wertvolle Werkzeuge, wenn man weiß, wie sie entstehen. Wer das versteht, erkennt, ob eine Zahl etwas beweist – oder nur glänzt.